Donnerstag, 13. November 2014

Genetic History.

Teppich von Bayeux

In der FAZ vom gestrigen 13. 11. 2014 berichtet JÖRG FEUCHTER sage und schreibe von der Etablierung einer neuen Wissenschaftsdisziplin: Das Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik wurde soeben umgewidmet zum "Max-Planck-Institut für mGeschichte und Naturwissenschaften"; im Allgemeinen geht es um die Übertragbarkeit biologischer Prozessmodelle auf die menschliche Geschichte und im Besondern um>Genetic History - die Auswertung von DNA-Analysen bei der Erforschung historischer Bevölkerungsbewegungen. Es geht wohlbemerkt nicht darum, aus der Geschichte wirkliche oder vermeintliche biologische Besonderheiten herzuleiten, wie es rassistische Lehren tun, sondern umgekehrt darum, aus exakt ermittelbaren biologischen Daten geschichtliche Ereignisse verständlich zu machen.

"Nicht selten werden für obsolet gehaltene alte Forschungsstände reaffirmiert. So kam etwa eine Studie im Jahr 2002 zu dem Schluss, dass die angelsächsische Immigration nach England im 5. bis 7. Jahrhundert mit einem fast kompletten Austausch der männlichen Bevölkerung auf der Insel einherging. Dies widerspricht diametral dem gegenwärtigen Stand der Mittelalterhistorie und -archäologie, die von einer nur geringen Wanderung vom Kontinent ausgehen, korrespondiert aber der bis Anfang des 20 Jahrhunderts vorherrschenden Auffassung von England als „germanischem“ Gemeinwesen. Ähnlich unerwartet wies eine Studie zur Iberischen Halbinsel den höchsten Anteil maurischer Vorväter der heutigen Bevölkerung ausgerechnet in Galicien auf. Das ist die nordöstlichste Region Spaniens, in der es nie eine längere muslimische Herrschaft gab."


Während dies schon als gesicherter Sachverhalt dargestellt wird, sind andere Themen dieser Preislage noch in Verhandlung:

"Allerdings hat jüngst der Mittelalterhistoriker Patrick Geary vom Institute for Advanced Study in Princeton selbst ein Genetic-History-Projekt ins Leben gerufen. Geary, ein anerkannter Experte für die völkerwanderungszeitlichen Ethnogenesen, leitet ein europäisches Team, das sich mit der Migration der Langobarden von Pannonien nach Italien im 6. Jahrhundert beschäftigt. Diese steht im Ruf eines „Modellfalls“ für eine archäologisch fassbare Völkerwanderung. Denn ausweislich der Fundstätten und Interpretation scheint es, als ob die Langobarden im Jahr 568 ihre Siedlungsgebiete in Ungarn nahezu völlig geräumt hätten, um geschlossen nach Italien zu wandern." Das wird zur Zeit noch untersucht.

Man kann davon ausgehen, dass so manches neue Forschungsergebnis, das aus dem neuen Institut an die Öffentlichkeit dringen wird, sogleich wilde Interpretationen auslösen dürfte, das ist beim heutigen Wissenschaftsbetrieb nicht anders zu erwarten. Und ganz sicher wird man erleben, dass dieses oder jenes Forschungsergebnis schon deswegen verworfen wird, weil irgendwer da eine rassistische Deutung herauslesen könnte.Und ebenso sicher wird man erleben, dass irgendwer allen warnenden Einschränkungen der Max-Planck-Forscher zum Trotz in das eine oder andere ihrer Ergebnisse eine rassistische Deutung hineinlesen will. Aber davon werden sie sich hoffentlich nicht irremachen lassen.

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