Samstag, 6. Mai 2017

Der Krieg ist nicht Mutter, sondern Vater aller Dinge.

Schimpanse
aus Die Presse, Wien,

Wie Krieg Schimpansen prägt
Das Verhalten nach außen schlägt durch auf die Sozialstruktur: Schimpansen tun sich mit Männchen zusammen, Bonobos mit Weibchen. 



„Der Erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab“, brachte alles Elend in die Welt: „Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen hätte.“ So sah 1755 Rousseau den Sündenfall, mit dem die Menschheit aus dem Paradies der Natur auszog. Dorthin wollte er nicht zurück, er hatte die Utopie einer ganz anderen Gesellschaftsform, aber eine Idylle war sie doch für ihn, die Natur.

Dabei geht es in ihr oft auch so zu, als hätte jemand Zäune gezogen: Da werden Reviere beansprucht und mit Klauen und Zähnen verteidigt oder auch erobert. So halten es unsere einen nächsten Verwandten, die Schimpansen, sie sind – außer uns – die einzigen, die über Nachbarn herfallen und sie erschlagen. Unsere anderen nächsten Verwandten, die Bonobos, agieren ganz anders, sie leben in äußerem Frieden und im Inneren auch, letzteren sichern sie durch exzessive Sexualität. Verwandt sind wir mit beiden in gleichen Graden: Unsere Ahnen spalteten sich vor etwa acht Millionen Jahren vom gemeinsamen Ast ab, Schimpansen und Bonobos gingen vor zwei Millionen Jahren getrennte Wege.

Ähnlicher in der Physiologie sind uns die Bonobos, das zeigen die Gene, die Muskeln auch Bernard Wood (George Washington University) hat es gerade erhoben (Scientific Reports 29. 4.). Beim Verhalten ist es anders: „Während Schimpansen ausgesprochen territorial sind, was sich in feindseligen Begegnungen zwischen Gruppen mit oft tödlichem Ausgang äußert, unterhalten Bonobos eher friedliche Beziehungen zu anderen Gruppen, Begegnungen enden nicht tödlich.“

Männchen kämpfen um Revier
 
So formuliert es Martin Surbeck (Leipzig), und er ist in langjährigen Feldbeobachtungen den sozialen Folgen nachgegangen: Bei Schimpansen bleiben Weibchen und Männchen eher unter sich, die Männchen suchen Freunde und Verbündete unter anderen Männchen: Zusammen kämpfen sie um das Gruppenrevier, und bei internen Rangeleien sind männliche Verbündete auch hilfreich.

Bei Bonobos tun sich auch Weibchen zusammen – aber Männchen halten sich auch an Weibchen, oft Söhne an die Mütter, die helfen ihnen, den Rang in der Gruppe zu steigern (Roy. Soc. Open Science 3. 5.) „Das Führen von Kriegen scheint einen fundamentalen Einfluss auf die Struktur einer Gesellschaft zu haben“, schließt Surbeck.



aus derStandard.at, 6. Mai 2017, 09:00                                                                 Bonobo-Weibchen

Unsere Urahnen könnten Bonobos geglichen haben
Zwei Studien rollen eine alte Frage neu auf: Die nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Schimpanse, Bonobo und Mensch

Leipzig/Washington – Seit der Bonobo (Pan paniscus), vormals "Zwergschimpanse", Ende der 1920er Jahre als eigene Spezies identifiziert wurde, wogte eine Debatte darüber, ob nun er oder doch der Gemeine Schimpanse (Pan troglodytes) unser nächster Verwandter sei. Diese Diskussion hatte durchaus weltanschauliche Hintergedanken, denn die beiden engst miteinander verwandten Menschenaffenarten unterscheiden sich in ihrem Verhalten beträchtlich.

Ungleiche Verwandte

Spätestens seit dem "Schimpansenkrieg von Gombe" in den 1970er Jahren, einer mehrjährigen brutalen Auseinandersetzung zwischen zwei Schimpansengruppen, werden die Tiere zunehmend als ähnlich gewaltbereit wie der Mensch betrachtet.

Nimmt man die Popkultur als zuverlässiges Seismometer für diffuse Gefühlslagen, kann man den Imagewandel der Schimpansen an den "Planet der Affen"-Filmen ablesen: Waren sie in der Originalserie der späten 60er und frühen 70er in Kontrast zu den vermeintlich gewalttätigen Gorillas noch Ausgeburten von Vernunft und Friedfertigkeit, so kehrten sich im Remake von 2001 die Verhältnisse um: Ein Schimpanse übernahm nun die Schurkenrolle.

Demgegenüber gelten Bonobos geradezu als "Hippies". Die in matriarchalisch geführten Gruppen lebenden Tiere verzichten weitgehend aufs Kämpfen und lösen zwischenäffische Probleme bevorzugt mit Sex – in jeder denkbaren Konstellation. Beobachtungen in der jüngeren Vergangenheit haben zwar gezeigt, dass Bonobos keine hundertprozentigen Pazifisten sind – es kann zu Kämpfen kommen, und manchmal machen sie auch Jagd auf andere Affenarten. Im Vergleich zum Gemeinen Schimpansen (und uns) werden sie ihrem "Make love, not war"-Image aber gerecht.

Was den Verwandtschaftsgrad anbelangt, wird in der Primatenforschung mittlerweile von einer genetischen Äquidistanz ausgegangen: Bonobo und Schimpanse stehen uns gleich nahe. Der letzte gemeinsame Vorfahre aller drei heutigen Spezies soll vor etwa 8 Millionen Jahren gelebt haben. Dann spaltete sich die Stammlinie des Menschen ab. Die Trennung der beiden Menschenaffenarten erfolgte wesentlich später – vielleicht vor 2 Millionen Jahren, vielleicht sogar vor weniger als einer. 

Unterschiedliche Wege

Der Grund für die Trennung dürfte ein geografisches Hindernis gewesen sein: der Kongo-Fluss. Bonobos kommen nur südlich des Kongo vor und sind reine Regenwaldbewohner. Nach traditioneller Auffassung ist die Nahrungssuche in ihrem Verbreitungsgebiet leicht genug, um ein ruhiges Leben ohne größere Konkurrenzkämpfe mit benachbarten Bonobogruppen oder innerhalb der eigenen zu führen.


Schimpanse

In der aktuellen Ausgabe von "Royal Society Open Science" führen Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie diese These weiter. Bei Beobachtungen von Schimpansen- und Bonobogruppen in mehreren afrikanischen Ländern stellte das Team um Martin Surbeck einen durchgängigen Unterschied in den Sozialkontakten der beiden Spezies fest: Bonobos egal welchen Geschlechts wenden sich primär an Weibchen – und am liebsten an ihre Mütter. Bei Schimpansen hingegen herrscht eine viel stärkere Geschlechtertrennung.

Die Forscher vermuten, dass dies mit dem aggressiven Verhalten von Schimpansen zusammenhängt. Männchen kooperieren sowohl bei Jagden als auch bei den immer wieder stattfindenden Angriffen auf benachbarte Schimpansengruppen: zwei Faktoren, die bei Bonobos weitestgehend entfallen. "Das Führen von Kriegen scheint einen fundamentalen Einfluss auf die Struktur einer bestimmten Gesellschaft zu haben", philosophiert Surbeck. 

Bonobo-Mutter

Parallel dazu ist in "Scientific Reports" eine US-Studie erschienen, die den Bonobo ein kleines bisschen näher an den Menschen heranrückt als den Schimpansen – wenn auch nicht genetisch. Forscher um Rui Diogo von der Howard University in Washington gingen die anatomischen Merkmale der drei Spezies durch, insbesondere die Funktionalität der Muskulatur. Zuvor waren auch Erbgut-Analysen durchgeführt worden.

Die Forscher sprechen von einer "mosaikartigen" Evolution der drei Spezies: In einigen Aspekten ähneln Bonobos stärker Menschen als Schimpansen, in anderen ist es umgekehrt – und wieder andere Merkmalsausprägungen werden nur von Menschen und Schimpansen geteilt. Jede der beiden Menschenaffenarten teile mit dem Menschen etwa drei Prozent genetische Merkmale, die in der anderen nicht enthalten sind.

Der Urform am nächsten

Der wichtigste Befund aus der vergleichenden Analyse waren aber Hinweise darauf, dass sich die Anatomie der drei Arten im Lauf der Zeit unterschiedlich stark weiterentwickelt haben muss. Und die Bonobos – vielleicht weil sie in einem weitgehend unverändert gebliebenen Habitat zuhause sind – hätten sich körperlich am wenigsten verändert. 

Schimpansenkind

Was mit anderen Worten heißt: Die Bonobos hätten das Aussehen der gemeinsamen Stammform aller drei Spezies am stärksten bewahrt – und damit auch jenes Vorfahren des Menschen, der vor acht Millionen Jahren lebte. Allerdings betrifft dies nur das Äußere. Wie sich unser Urahn verhielt, ob friedlich oder kriegerisch, bleibt reine Spekulation. (jdo)

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