Samstag, 1. Juli 2017

Kubas "tiefer Staat".


 
Donald Trump will auch die Kuba-Politik Barrack Obamas rückgängig machen. Das könnte gravierende Folgen für die dortige Wirtschaft haben. Die Neue Zürcher bringt dazu heute einen Bericht von Richard Bauer.

... An den Kragen gehen soll es in erster Linie den Staatsunternehmen auf Kuba, die von den Militärs beherrscht werden. Und deren gibt es Unzählige. Bedroht sind alle bestehenden und künftigen Geschäftsbeziehungen amerikanischer Unternehmen mit Firmen, die dem Ministerium der Revolutionären Streitkräfte angegliedert sind und wo der Generalverdacht besteht, dass sich der engste Kreis der Gefolgschaft Castros persönlich bereichert. Die Generäle und Offiziere kontrollieren wichtige Geschäftszweige, die vor allem in harten Währungen operieren. Dazu gehören der boomende Tourismus und die üppig fliessenden Überweisungen der Exilkubaner, die Rimessen.

«Wohlweislich investieren die Holdinggesellschaften der Militärs in die international ausgerichteten, lukrativen Sektoren der kubanischen Wirtschaft», schreibt Richard Feinberg, ein amerikanischer Kubaspezialist. Sein Fazit: Damit bringen sich die militärischen Technokraten in eine Position, die in einem nach aussen geöffneten und global auftretenden Kuba wichtig sein wird. Bekannt ist, dass die militärischen und zivilen Eliten in Havanna die Prozesse, die sich in den Transitionsländern nach dem Ende der Sowjetunion abgespielt haben, genau studiert haben, um daraus ihre Lehren zu ziehen.

Alles deutet darauf hin, dass sich die Generäle ihre Pfründen auch für den Fall eines Zusammenbruchs des Revolutionsregimes zu erhalten suchen. Sie werden beim Übergang von der Staats- zur freien Marktwirtschaft ein Wörtchen mitreden und dank geschickten Privatisierungen ihre wirtschaftliche Zukunft absichern wollen.

Schätzungsweise 40 bis 60 % der kubanischen Deviseneinkünft würden mittlerweile vom Unternehmen erwirtschaftet, die unter der Kontrolle der Revolutionären Streitkräfte stehen. Eine große Rolle spielen dabei die sogenannten Dollarläden, wo Kubaner importierte Waren zu überhöhten Preisen kaufen können. Wenigstens 70% des Einzelhandels mit Importen befänden sich in den Händen des Militärs.

 
Kernstück des militärischen Wirtschaftsimperiums sind die zwei Holdinggesellschaften Grupo de Administración Empresarial Gaesa und Corporación Cimex. ...

Seit Raúl Castro im Jahr 2008 die Regierungsgeschäfte von seinem inzwischen verstorbenen Bruder Fidel übernommen hat, ist der Einfluss der Militärs auf die kubanische Wirtschaft rasant gestiegen. Im Gegensatz zu den Apparatschiks der Staatsbürokratie und den Parteibonzen gelten die Offiziere in Kuba als disziplinierte, effiziente und gut geschulte Manager. Mit dem Transfer der Gruppe Cimex vom mächtigen Innenministerium – diesem untersteht der Staatssicherheitsdienst – an das Armee-Ministerium gelang Raúl Castro 2010 ein Meisterstück. 

Beide Ministerien verfügten ursprünglich über getrennte Unternehmen, deren Profite zur Selbstfinanzierung ihrer Institutionen und als Portokasse zur Befriedigung der Luxusbedürfnisse der Offiziere dienten. Fidel Castro spielte zeit seines Lebens die zwei wichtigsten Stützen seiner Macht gegeneinander aus. Gleichberechtigt durften sich Polizei und Militär aus dem begehrten Devisen-Topf bedienen. Am Umsatz gemessen, war Cimex bis zur Übernahme durch die Militärs das grösste Unternehmenskonglomerat Kubas. Hier war unter anderem der ganze Export von Rum, Tabak, Zucker und Kaffee angesiedelt.

Seit dem Tod Fidel Castros hat das Militär seinen Einfluss im Tourismus- und Finanzgeschäft ausgeweitet. Der von Fidel protegierte Historiker Eusebio Leal, der die Altstadt von Havanna zum Unesco-Weltkulturerbe machen konnte, wurde entmachtet und seine Unternehmensgruppe Habaguanex der Gaesa-Holding angeschlossen: Er hatte zu viel Erfolg gehabt.

Die andere bedeutende Übernahme durch Gaesa betrifft die für den Aussenhandel zuständige Staatsbank Banco Financiero Internacional (BFI). Sie ergänzt das Monopol der Financiera Cimex (Fincimex), über die alle Devisentransaktionen der Exilgemeinde und von Reservationsplattformen für Unterkünfte wie etwa Airbnb laufen. Auch ist Fincimex der einzige autorisierte Geschäftspartner von Western Union und erledigt das Kreditkartengeschäft für Visa und Mastercard. Gut in Stellung gebracht haben sich die Militärs im Tiefseehafen von Mariel und der angrenzenden Industriezone. Almacenes Universales, ein weiteres Unternehmen von Gaesa, sorgt für den Transport von Containern und betreut die Infrastruktur des Industriegebiets.

Während der privilegierten Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion herrschte ein bequemer Trott. Der Tourismus spielte keine Rolle und wurde miusstrauisch kleingehalten.

Das änderte sich schlagartig in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als es in Kuba an allem fehlte und Fidel Castro eine Art Kriegswirtschaft, die Sonderperiode in Friedenszeiten, ausrufen musste. Plötzlich erinnerte man sich an vorrevolutionäre Zeiten, als Kuba als karibisches Touristenparadies bekannt war. Die Militärs, damals angeführt von Armeegeneral Raúl Castro, stiegen ins Tourismusgeschäft ein. Der zermürbende Krieg in Angola war beendet, die kubanischen Streitkräfte auf ein Minimum reduziert. Beschäftigungslose Offiziere gab es in Hülle und Fülle. Die Fähigsten wurden an Management-Schulen ins Ausland geschickt.

Zurück auf der Insel, vertrauten die Generäle den neuen Kadern die Leitung wichtiger Unternehmen im Tourismussektor an. Geschaffen wurde ein olivgrüner Staat im Staat. Schritt für Schritt wurde der Grupo de Turismo Gaviota zur zentralen Schaltstelle ausgebaut, an der noch heute kein ausländischer Reisevermittler und kein Tourist vorbeikommt. Militärische Pünktlichkeit, ein geschniegeltes Auftreten und Ausdrücke aus der Kasernenwelt verraten die Herkunft vieler Mitarbeiter. Wer sich für einen Job bei einem Unternehmen der Gaviota-Gruppe bewirbt, erreicht sein Ziel meist mit Schmiergeld, eine willkommene Einnahmequelle für mittlere Kader.

Zu Gaviota, einem Unternehmen der Holding Gaesa, gehören die Taxibetriebe Cubataxi, Panataxi und Havanataxi. Transgaviota verleiht Mietwagen und organisiert Busreisen. Aerogaviota bedient mit eigenen Flugzeugen Inlandflüge, im Cockpit sitzen ehemalige Militärpiloten. Gaviota Tours betreibt ein Netz von Reisebüros. Mit Comercial Gaviota muss jeder Hotelier und Restaurantbetreiber geschäften, will er ausländische Produkte für seinen Betrieb einführen, vom Shampoo über Wein bis zu Sonnenschirmen und Liegestühlen. Die fünf Jachthäfen des Landes sind Teil von Gaviota, ebenso 55 Hotels, 26 Restaurants und 18 Ferienanlagen. Auch Hotels internationaler Ketten haben in der Regel eine Beteiligung von Gaviota. Beispiele sind das jüngst eingeweihte erste echte Fünfsternhotel der Insel, das von der Genfer Gruppe Kempinski geführt wird, oder das 2016 eröffnete «Sheraton» der Marriott-Gruppe. ...


Nota. - Der Ausdruck tiefer Staat wurde in Ägypten unter Hosni Mubarak geprägt, um die typische Verflechtung des Militärapparats mit Industrie und Handel zu bezeichnen. Der Tiefe Staat hat Mubarak gerade noch rechtzei- tig fallen lassen und mit der Volksbewegung Katz und Maus gespielt. Zu keinem Monent ließen sie die Fäden aus der Hand und haben eine Konterrevolution wie fürs Lehrbuch durchgezogen. 

Wären nicht die Vereinigten Staaten so nah, könnte man darin auch die Zukunft Kubas erblicken. Ein paar Millionen Exilägypter warteten nicht ein paar Meilen vor der Küste. Aber vielleicht können die Kubaner sich ja friedlich wiedervereinigen...
JE



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