Montag, 16. Oktober 2017

Radikale Mitte...



... so hieß die "Spaßpartei" - damals kam das Wort auf -, die 1950 von dem Kabarettisten Werner Finck ins Leben gerufen wurde und damals einigen publizitären Erfolg hatte. Die Bundesrepublik hatte noch mit der KPD auf der einen und der SRP auf der andern Seite zwei extreme Flügelparteien, und es war nicht auszuschließen, dass die sich dort festsetzen würden.

An sich klang die Formulierung Radikale Mitte paradox. Radikal, das war der äußerste linke Flügel - die Weltrevolu- tion - und der äußerste rechte Flügel: die je nationale Konterrevolution. Mitte, das war, was als Nullpunkt zwischen den beiden Kräften resultierte: nicht zu viel hiervon, nicht zuviel davon, sondern 'grade richtig'; juste milieu. Mitte war die Resultante von tausend Kompromissen, gibst du mir dies, geb ich dir das, das ging nicht vorwärts, ging nicht rückwärts, sondern schleppte sich hin, und wenn dann ein Donnerwetter dreinfuhr, kamen sie aus dem Mustopp.


Das war im vorigen Jahrtausend. Von der Weltrevolution ist seit 1990 keine Rede mehr. Für nationale Konterrevo- lutionen besteht folglich weltweit kein Bedarf. Das Ende der Geschichte ward ausgerufen, aber dann ging sie doch weiter. Sie heißt jetzt Globalisierung.

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Radikal war, was an die Wurzel ging; Revolution und Konterrevolution; entweder oder. Entweder oder gibt's nicht mehr. Es gibt nur noch Globalisierung und Digitalisierung, aber das ist dasselbe. Strittig sind sie nicht, sondern nur, was man draus macht. Radikal ist, wer die Sache zuende denkt und draus macht, was der gesunde Menschenverstand - Vernunft muss gar nicht beschworen werden - rät. 

Was digitalisiert werden kann, werden die intelligenten Maschinen übernehmen. Für uns Menschen bleibt an Arbeit nur übrig, was - sei es - lebendige Einbildungskraft, - sei es - menschliche Einfühlung verlangt. Mit andern Worten, die ausführenden und namentlich die verwaltenden Tätigkeiten hätten wir uns endlich vom Halse programmiert. Da aber nicht weniger, sondern mehr produziert werden dürfte, müsste die Verteilung anders geregelt werden als durch den jeweiligen Anteil der Individuen an der produktiven Arbeit: Denn die meisten hätten keinen mehr. 

An einem garantierten Grundeinkommen wird auf die ganz lange Sicht nichts vorbeiführen. Heute erscheint das Problem der Finanzierung als unüberwindliche Hürde. Aber die faux frais durch ausufernde Verwaltungsarbeit, die sachlich immer hinderlicher wird, wachsen weiter: Maschinen können das besser. Es kommt der Tag, da wird das garantierte Grundeinkommen ein Gebot der Sparsamkeit sein. 

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Hier schließt sich der Kreis. Das ist in einem Land nicht möglich: In das Land, das damit anfinge, würden sich die Migrationsströme der ganzen Welt ergießen. Das ist nur gangbar als ein weltweit geplanter und, so Gott will, abge- stimmter Prozess. 

Und doch muss irgendwo angefangen werden. Die Frage, ob das überhaupt möglich ist, stellt sich schon gar nicht mehr. Es ist notwendig, und da wird die Notwendigkeit den Möglichkeiten schon auf die Sprünge helfen..

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Langer Rede kurzer Sinn (Sie ahnen es längst): Europa ist die Weltgegend, die mit der überkommenen kapitalisti- schen Wirtschaftsordnung, die den Weltmarkt geschaffen hat und mit der digitalen Revolution die Globalisierung vorantreibt, die längste und man darf wohl sagen: sattsamste Erfahrung gemacht hat. Es kommt ihr zu, auch den Weg heraus zu weisen. Und die Gegend, wo Europa am europäischsten, nämlich am zwiespältigsten ist, ist die unsere. Deutschland in Europa und Europa in der Welt - das ist die Perspektive der radikalen Mitte.





 

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